"Bahnhof Fahr fertiggestellt 1891; hauptinitiator war fabrikant theodor moskopf, ab 1910bahnhof fahr-Irlich."
Erinnerungen an einen längst verschwundenen Bahnhof

um 1938 - Fahr am Rhein, Raddampfer Franz Haniel, Bahnhof Fahr-Irlich, rechts oben Gebäude der Firma Lohmann
FAHR. Nichts deutet heute mehr auf den ehemaligen Standort des früheren Bahnhofs Fahr (ab 1910 : Fahr-Irlich) hin. Doch bis Mai 1987 befand sich das Gebäude gegenüber der Stelle, an der heutzutage eine schmale Strasse von der begradigten B 42 abzweigt (aus Richtung Leutesdorf links, aus Richtung Neuwied rechts) und sich in mehreren Serpentinen zum alten Verwaltungsbau der Firma Lohmann (seit 1998 Lohmann-Rauscher) hochschlängelt .
Wegen des im 19. Jahrhundert ständig steigenden Verkehrsaufkommens und auch auf Initiative des Fahrer Essigfabrikanten Theodor Moskopf , der eine verkehrsgünstige Anbindung seiner Fahrer Fabrik brauchte, um seinem Unternehmen ein besseres Wachstum zu ermöglichen, wurde Anfang Juli 1891, |
Der Bahnhof Fahr bei der Eröffnung 1891. |
1910 - neue NamensgebungDer Bahnhof trug den Namen "Fahr" rund 20 Jahre lang – bis 1910 auch die größere Nachbargemeinde Irlich Anspruch auf einen Zughaltepunkt erhob. Kurzerhand taufte man ihn auf den Namen "Fahr-Irlich" um, und schon hatten auch die Irlicher ihren Bahnhof. Allerdings stand er und die an ihm vorbei-führende Strecke nie unter einem günstigen Stern |
Das Bild zeigt den Bahnhof Fahr um 1895. Im linken Teil des Bildes,zwischen den Bäumen, sieht man die Landvilla Roentgen "Haus Friedrichstein". Foto: Archiv Kupfer / KMZ
Trasse von Unglücken gezeichnet
Blättert man aufmerksam in ihrer Chronik, ist die Trasse mit zahlreichen Unfällen behaftet. Die Anlage der Bahn war noch nicht völlig fertig – der Bahnhof Fahr existierte noch gar nicht – da kam es bereits zum ersten Unglück. Infolge des Silvester-Hochwassers rutschte 1868 zwischen Fahr und Irlich der aufgeschüttete Damm ab.
Im November 1870 entgleiste bei Fahr ein rheinaufwärts fahrender Zug – damals war die Strecke noch eingleisig, erst ab 1883 entstand ein zweites Gleis. Außer dem Heizer wurde allerdings niemand verletzt.
Im Jahr 1882 überflutete ein Jahrhunderthochwasser die Gleise – sie standen tagelang unter Wasser.
Am 5. Februar 1909 – der Bahnhof war bereits erbaut – stürzte die Eisenbahnbrücke mit der 80 m langen Eisenkonstruktion über die Wied bei Irlich - infolge des Schmelzwassers aus dem Wied-Tal (Westerwald) ein.
Da aus gleicher Ursache die Saynbrücke bei Engers eingestürtzt war, mußte die rechtsrheinische Strecke von Fahr-Irlich bis einschließlich Engers gesperrt werden; die Verkehrsinsel Neuwied-Engers war somit von beiden Seiten völlig vom Eisenbahndurchgangsverkehr abgeschnitten. Durch sofort hergestellte Behelfsbrücken über die Wied und den Saynbach konnte nach schon vier Wochen der Durchgangsverkehr - an den Brückenstellen allerdings eingleisig - wieder aufgenommen werden. Mit dem Bau der neuen Wiedbrücke verband man gleichzeitig eine wesentliche Linienverbesserung, indem man die Streckengleise rheinseitig verlegte und scharfe Krümmungen abflachen konnte. Anfang November gleichen Jahres konnte der ungehinderte Durchgangsverkehr wieder aufgenommen werden.
Fotos vom 17. Dezember 1918 zeigen, dass sich die Unglücksserie fortsetzte, als in der Nähe des Bahnhofs Fahr-Irlich zwei Güterzüge zusammenstießen. Es entstand erheblicher Materialschaden.
Train wreck looking west along Rhine, Fahr Irlich, Germany 12-17-18 NARA111-SC-44112-ac
Source of Photograph: National Archives RG 111
Train wreck, FSource of Photograph: National Archives RG 111
Fahr Irlich, Germany 12-17-18 NARA111-SC-44111-ac
Source of Photograph: National Archives RG 111
Artikel aus der Neuwieder-Zeitung vom 18.Dezember 1918
Um die Jahreswende 1925/26 kam es zu einer weiteren Beinahkatastrophe. Diesmal war es der hochwasserführende Rhein, der den Bahndamm zu unterspülen drohte. Die flussseitigen Schienen des Bahnhofs wurden überflutet, so dass die Züge mit besonderer Vorsicht bergseitig durchs Wasser fahren mussten.
Zum das folgenschwerste Unglück war am 22. Dezember 1947,
als zwei vollbesetzte Personenzüge in dem eingleisig betriebenen Abschnitt nach der Behelfsbrücke über die Wied zusammenstießen. Die traurige Bilanz : 42 Tote und 118 Verletzte. Im Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL 1 / 1948 wurde ein ausführlicher Bericht über dieses tragische Unglück publiziert, der unter dem Folgenden Weblink abrufbar ist: Hein, da gibt´s was zu holen
Im SPIEGEL Bericht von 1948 gibt es ein nicht Realitätsbezogenes Zitat aus einem Roman:
<<Auf der hinteren Plattform des zweiten Wagens erzählt ein Mann die Geschichte vom tollen Bomberg, der immer in seinem bahnhofslosen Heimatörtchen die Notbremse zog, damit er aussteigen konnte<<.([red.] 1948).>>Der tolle Bomberg<< (1923): Roman von Josef Winkler (1881-1966)
In einer Festschrift zum 80jährigen Bestehen der rechtsrheinischen Eisenbahnstrecke
publizierte der Reichsb.-Oberamtmann i.R. Hans Moritz aus Neuwied unter dem Titel: "Der Katastrophenbahnhof Fahr-Irlich" ebenfalls eine Zusammenstellung der Unglücksserie im Bereich dieses Bahnhofes.
Im August 1970 entgleisten kurz hinter dem Bahnhof (Richtung Leutesdorf) vier Güterwagen, weil Damm und Stützmauer plötzlich nachgaben. Und im Oktober 1985 brachte ein LKW eine Gleisbegrenzungsmauer zum Einssturz, so dass der Zugverkehr eine Woche lang behindert war.
Das Ende des Bahnhofs zeichnete sich wenige Zeit später ab.
Nachdem am 1. Januar 1986 der Fahrkartenverkauf (nur noch am Automaten) und die Expressgutbeförderung eingestellt wurden, schlug im Mai 1987 die letzte Stunde des Gebäudes. Ende des Monats rückte ein großer Bagger an und riss es aus "verkehrstechnischen Gründen" ab. Nachdem alles dem Erdboden gleichgemacht worden war, fand die geplante Begradigung der B 42 statt.
Der Hobbytüftler Walter Teufert aus Feldkirchen baute 2015 den verschwundenen Fahrer Bahnhof nach.
In mühevoller Kleinarbeit erstellte er ein naturgetreues Abbild des Bahhofgebäudes und dem angrenzenden Lokschuppen im Maßstab 1:60. Pünktlich zum 125jährigen Jubiläum wurde das Modell im Sommer 2016 fertig.
Bahnhof Fahr-Irlich Nach vollständiger Sanierung des Kulturdenkmals"Backesmännchen-Haus" - Untere Mühle in Fahr, soll das Modell ein Bestandteil des künftigen Dorfmuseums werden. So wie die zwei anderen von Walter Teufert geschaffenen Modellbauten: |
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02. November 2018: Bombenentschärfung und Evakuierung
Ein Ereignis welches keinen Bezug zur Bundesbahn hatte -, jedoch zu "diesem Streckenabschnitt" bei Irlich.
Unterhalb der Eisenbahnbrücke wurden in der Wiedmündung US-Fliegerbomben gefunden. Diese mußten entschärft und geborgen werden.
Am 3. November 1944 war einer der schlimmsten Tage in der Geschichte von Irlich.: Hunderte US-Fliegerbomben
stützten auf diese kleine Gemeinde, um die Eisenbahnbrücke über der Wied zu zerstören. 78 Tote wurden anschließend beklagt. Ausgerechnet diese Bomben sorgten nun fast auf den Tag genau 74 Jahre später für eine der größten Evakuierungsaktionen in der jüngeren Geschichte der Stadt Neuwied.
Text: Friedel-Wulf Kupfer, Herkunft: Kupfer/KMZ, sowie eigenes Archiv und Recherchen
Hinweise auf die Fotos aus dem US National Archiv RG111 - Thanks to: Georg Lane, Silver Spring, MD USA
Modellbau-Fotos von Walter Teufert: Archiv Erich Walther
Erich Walther
Stand: 16. Dezember 2022